Mittwoch, 17. November 2021

Homöopathie und Bullshiting

 Stellt Euch mal vor: Neulich habe ich hier mit einem frisch gebackenen Apotheker aus unserer Kanupolo-Mannschaft über Homöopathie diskutiert. Ein echt lieber Kerl, wenn auch noch ein bisschen jung und auch ziemlich klassisch ausgerichtet, was Behandlungsmethoden betrifft.

Als ich sagte, dass wir in der Familie (und auch einige unserer Freunde) Antibiotika und Schmerzmittel wie Aspirin oder Paracetamol nur im Ernstfall benutzen wollen und ansonsten Erkältungssymptomen, wenn es möglich ist. lieber mit (Bett-) Ruhe, Wärme, Fürsorge, Vitaminen und eventuell auch Homöopathie begegnen, hat er das Argument angeführt, dass im klassischen wissenschaftlichen Diskurs Homöopathie in keiner Weise anerkannt ist und die (angebliche) Wirkungsweise selbst mit modernsten technischen Instrumenten und Methoden nicht nachgewiesen werden kann. Spontan wollte ich ihm „Krankheit als Weg“ empfehlen, wo die (spirituelle) Wirkungsweise der Homöopathie recht gut erklärt ist, ebenso wie der Unterschied zur Allopathie, aber auf französisch ist dieses Buch leider recht schnell vergriffen und darum auch gebraucht noch ziemlich teuer.

Er räumte ein, dass der Placebo-Effekt der „etikettierten Zuckerperlen“, wie er die Homöopathie-Globuli nannte zwar interessant wäre, weil dieser tatsächlich wissenschaftlich als hilfreich eingeschätzt wird (Selbstheilungsprozesse anzuregen), aber das Risiko, dass sich eine nicht auskurierte Erkältung zu einer akuten und tödlichen Lungenentzündung entwickelt, schätzt er als studierter Mann vom Fach zu hoch ein. Schon zu oft habe er in der pharmazeutischen und medizinischen Fachliteratur von Fällen gelesen, wo nicht nur die Eltern wegen solch einer Nachlässigkeit an Lungen- oder Herzkranzgefäßentzündung gestorben sind, sondern leider auch Kinder. Er fände es darum hochgradig unverantwortlich, nicht alle von der modernen Wissenschaft und Technologie zur Verfügung gestellten Mittel zu nutzen, um jeglichen Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs vorzubeugen.

Ich wusste dann nicht mehr so genau, was ich sagen sollte (ihr kennt mich ja ;-) ) und hab erstmal nur gesagt, dass einer meiner Homöopathie-nutzenden Freunde immer die richtige Abwägung zwischen der Sicherheit und den anderen, die Lebensqualität beeinflussenden Faktoren findet. Wenn der jetzt hier wäre, dann würde er schon die richtigen Worte finden, um die Doppelmoral seiner Argumentation (die des Apothekers!) zu durchleuchten. Denn, stellt Euch mal vor (leider ist es mir aber erst später aufgefallen): Mein Kanupolo-Apotheker-Freund ist noch letzten Sommer mit seinen Kinder und seinem Wohnmobil über Nacht nach Italien gefahren und hat sie dabei hinten unangeschnallt schlafen lassen. Ich frage mich, mit welchen Argumenten er seine potentiell fahrlässige Handlung im Falle eines tödlichen Unfalls vor Gericht gerechtfertigt hätte. Vor allem weil uns ja in diesem Fall sogar der Vorsorge- und Fürsorgestaat die komplizierte Entscheidungsfindung zwischen Komfort und Risiko schon abgenommen hat und er sich trotzdem ermaßt hat, sich diesem (durch selbstständiges (überhebliches!?) Denken) zu widersetzen.

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